Russland, Kickstart Weltreise
July 18,2018
Russland 2018 - Alter Soviet-Charme neben
modernen und selbstbewussten Städten
Am 27.06. ist es soweit: 8h Zugfahrt nach Berlin und
34h Busfahrt einmal querdurch das Baltikum sind
geschafft und wir betreten russischen Boden. Unser
Visum wurde also akzeptiert, auch wenn die
Grenzbeamten um 02.00 nachts nicht sonderlich
motiviert waren und die Abfertigung unseres Busses
ganze 11/2 Stunden in Anspruch genommen hat.
Sind wir jetzt da??
In Sankt Petersburg scheint die Sonne und wir
versuchen uns erstmal in der riesigen Stadt zu
orientieren. Die Busfahrt hat uns langsam in
Reisestimmung versetzt und warein echtes
Abenteuer. Interessant war unterwegs zu sehen, wie
sich die Landschaft verändert und vom Baltikum
hatten wir auch keine so richtige Vorstellung. Vor
allem aber haben wir bemerkt, wie die Tage immer
länger wurden! Je weiter wir Richtung Norden
unterwegs waren, desto länger ist die Sonne abends
am Horizont verharrt. Später haben wir in Sankt
Petersburg dann auch die berühmten Weissen Nächte
erlebt, in denen es ähnlich dem polaren Sommer
nicht ganz dunkel wird - auf jeden Fall eine
wahnsinnige Erfahrung! Obwohl wir nur4Tage in der
Stadt waren, hat sich unser Rhythmus durch das lange
Tageslicht schnell verändert und wir haben uns dem
lokalen Rhythmus angepasst. Das heißt: Wir sind
jeden Tag bis in die Puppen unterwegs gewesen!
Blick von der Anitschkow-Brücke auf einen dervielen
Kanäle der Stadt
Die Admiralität bei Sonnenuntergang macht schon
was her!
Wie schmeckt Russland?
Überrascht waren wir von der Russischen Küche¬
neben den bekannten Klassikern Borscht (kalte oder
warme Suppe mir roter Beete und Kräutern) oder
Pelmeni (die russischen Ravioli) gibt es viele sehr
abwechslungsreiche und leckere Gerichte. Uns haben
die verschieden gefüllten Teigtaschen und mit Käse
überbackenen Fleischklöse zugesagt, die wir uns in
einer Art Kantine gegönnt haben. Dort bekommt man
viel Essen für sehr wenig Geld geschöpft und die
Qualität ist überragend. Wir haben dort auch nur
Einheimische essen sehen, was immer ein gutes
Zeichen ist. Generell muss man sagen, ist das Essen in
Russland sehr fettig und fleischlastig- definitiv nichts
für den figurbewussten Typ! Apropos figurbewusst: Die
Russen stehen definitiv auf süß. Und mit süß meinen
wir pappsüß. Torten in allen möglichen Farben,
gefüllte Blätterteigtaschen, Kekse, hier kommen
Schleckermäuler richtig auf ihre Kosten. Für uns war
deshalb auch ein Dessert obligatorisch mit dabei!
Irina, unsere russische Mama mit Allrounder-
Fähigkeiten
Dass wir uns in Sankt Petersburg so super wohl gefühlt
haben liegt auch an Irina, die das Hostel in dem wir
untergekommen sind im Alleingang geschmissen hat.
Wir hatten eher das Gefühl, Gäste in ihrem Flaushaltzu
sein, als in einem Hostel zu wohnen. Von Früh bis Spät
wurde geputzt, gebügelt und gemacht. Es gibt zwar
auch einen Mann an Irinas Seite, der spielt im Hostel
aber eher eine Statistenrolle;-). Vergesslich wie ich
(Philipp) bin, habe ich in der Hektik beim Auschecken
meinen heißgeliebten Fleecepulli vergessen (dieser
Verlust hängt mir auch jetzt, Wochen später noch
nach...). Tausend Dank auch hier noch mal an dich
Irina, dass du den Pulli zurück nach Deutschland
geschickt hast!
Eremitage und Palastplatz um ca. 24.00 Uhr (man
beachte den hellen Florizont)
Pelmeni und Philipp - eine Liebesgeschichte
Religion in Russland
Die Klosteranlage Sergijew Possad - UNESCO
Weltkulturerbe
Russland ist ein zutiefst religiöses Land. Die Christlich
Orthodoxe Kirche prägt das Land und die Menschen
sehr stark, wie wir schnell festgestellt haben. Die
zahlreichen wunderschön verzierten Kirchen mit Gold
Kuppeln und Zwiebeltürmen sind nicht nur Folklore,
sondern werden aktiv genutzt. Bei unserem Ausflug in
das Kloster Sergijew Possad konnten wir noch einmal
eine andere Seite Russlands, abseits der großen
Städte, wo es sehr schnell sehr ländlich wird,
kennenlernen. Die Menschen die das Kloster besucht
haben waren traditionell gekleidet (lange Röcke +
Kopftuch bei Frauen, dunkle, gesetzte Kleidung bei
Männern). Die orthodoxen Priester tragen lange,
schwarze und wallende Gewänder und sind für uns
Mitteleuropäer wirklich ein spannender Anblick! Die
Kirchen sind außen sehr kunstvoll und mit viel Gold
verziert, im Inneren findet man bemalte Wände mit
uralten und teilweise verwitterten Fresken. Die
wenigen Bilder in den Kirchen sind meist in einen
Glaskasten eingelassen und werden von den
Gläubigen Besuchern geküsst, auch das für uns sehr
ungewohnt, hier jedoch ein Zeichen der Gläubigkeit
und des Respekts gegenüber Heiligen.
Von A nach B - Abenteuer russische Eisenbahn
Züge in Russland sind eine Sache für sich. Die
Distanzen, die man zurücklegt, sind für uns Europäer
nur schwer vorstellbar. Für den Russen ist alles unter
1000 km nur Kurzstrecke. Man kann Tage im Zug
verbringen, ohne dass sich die Landschaft wirklich
ändert. Das Land ist einfach unvorstellbar groß (45x
Deutschland!!) und so werden auf der Landkarte
scheinbar kurze Strecken zu endlosen Fahrten. Unsere
längste Fahrt dauerte knapp 36 Stunden von Moskau
runter in den Kaukasus nach Wladikawkas. Zugfahren
in Russland bedeutet dann auch etwas ganz anderes
als in Deutschland, aufgrund der langen Strecken wird
der Zug zu einem zweiten zu Flause und entsprechend
richten sich auch die Leute ein.
Lena, Larissa und Rita, unsere Bekannschaft aus dem
Zugabteil
Georgien: Tushetidogs, malerische Natur und hohe Gipfel
July 28,2018
Gamarjoba! in Georgia
Vor unserem Reisebeginn hatte ich mich unter
Anderem besonders auf Georgien als eines unserer
ersten Ziele gefreut. Schon bei der Recherche
versprach Georgien, bisher als untouristisches
Reiseziel bekannt, tolle Natur mit grandiosen
Berglandschaften, Meer, Küste, eine aufregende
Hauptstadt und vor allem guten Georgischen Wein.
Das haben wir zuerst gemerkt: In Georgien wird
Gastfreundschaft Groß geschrieben und der Wein ist
wirklich so gut wie er verspricht! Nachdem wireinen
spannenden Grenzübergang von Russland nach
Georgien hinter uns hatten, haben wir zuerst ein paar
Tage in der Hauptstadt Georgiens, dem modernen
Tbilisi (Tiflis) verbracht.
Old and happy in Tbilisi
Orangengroße Pfirsiche
Von Tbilisi aus ging es weiter Richtung Nordost. Nicht
zu übersehen: Kaum ist man raus aus der Stadt und
wird es etwas ländlicher reiht sich ein naturbelassener
Garten, schöner als der Nächste, an den anderen.
Gemüsebeete, mit einfachsten Mitteln angelegt, und
Obstbäume an denen Pfirsiche hängen die fast so
groß sind wie Orangen.
Da wir nach einigen Städten und unzähligen
Kilometern die wir mit den lokalen Marshrutka
gemacht hatten, dringend eine große Portion Natur
nötig hatten, sollte unser nächstes Ziel die Bergwelt
des Kaukasus werden. Die Auffahrt ist nur mit einem
eigenen Fahrerderein Allradauto und jede Menge
Fahrerfahrung besitzt möglich, da die Straße als eine
der gefährlichsten Straßen der Welt gilt. Wirwussten
das vorab und waren früh am morgen trotz
unmenschlicher Zeit topfit vor Aufregung und etwas
Unbehagen. Knappe fünf Stunden dauerte die Auffahrt
die Shoti, unser Fahrer, ohne Touristen an Bord in drei
schafft! Fragten wir Shoti nach Gefahren gab er uns auf
Alles verbunden mit seinem unbeschwerten Lächeln
ein “maybe no problem“ als Antwort. Die
Beschleunigung des Puls, dank der kaum
vorhandenen Straße, die teilweise durch Gebirgsflüsse
bis zur Hälfte abgewaschen war und der Anblick
einiger Kreuze, welche an die Verunglückten
erinnerten, relativierte sich spätestens als wir den
höchsten Pass (3000m) erreichten und sich uns hier
ein Ausblick bot, der mit Worten nicht zu beschreiben
ist. Endlich oben angekommen!
Info: Marshrutka= umgebauter Transporter in dem sich
19 Personen auf einem DIN-A4 Papier großen Sitzplatz
wiederfinden
Am Abgrund entlang mit Allrad und starken Nerven
Aufstieg mit Teebeutel-Flash
Teebeutel-Flash
Das kleine Dorf in dem wir uns einquartieren liegt auf
2100m, etwas abseits der “Hauptstadt“ der Region.
Hier gab es außer unserem Gästehaus, ein paar
Einheimischen, Kühen und riesigen Hunden, nichts-
also genau das Richtige für uns! An unserem zweiten
Tag haben wir hier unseren ersten Gipfel bestiegen,
während des Aufstiegs ist uns immer wieder der Duft
Unmengen frischer Kräuter in die Nase gestiegen. So
etwas habe ich in freier Natur noch nie gerochen! Vgl.:
Das war ungefähr so, ais hätten wir unsere Nasen in
jeweils 10 Teebeutel gesteckt!
Ush wie schrecklich
Nach 3 Tagen wieder heil unten angekommen, ging es
weiter über Kutaisi in die Region Swaneti (Swanetien).
Wir wollten mehr Natur und einen höheren Gipfel. Der
Mount Ushba (4737m) kostete uns unsere letzten
Kräfte (georg. “Ush“=schrecklich, “Ba“=Berg), aber wir
haben es nach über 1000hm bis zum Gletscherbeginn
geschafft! Wow, was für ein Feeling, ein Ausblick wie
wir ihn bisher nur von Bildern kannten! Hier sehen wir
was wirklich BIO ist und wie groß ein ECHTES
freilaufendes Huhn werden kann, wenn man es in
seiner natürlichen Umgebung lässt (bevor es auf dem
Grill landet).
Malerischer Ausblick zum Gletscher
On top of the world
Bedingungslose authentische 1300km
Wir waren knappe drei Wochen in diesem tollen Land
unterwegs, haben starke 1300km über Land gemacht
und sind einmal von Osten Richtung Westen gereist,
bevor Achalziche unser letzter Stop vorder
armenischen Grenze war. Auch wenn wir von den
Unmengen georgischen Brot erstmal genug haben,
wird uns Georgien definitiv durch seine
bedingungslose, authentische Gastfreundschaft und
malerische Natur in Erinnerung bleiben. Wir werden
sicher wieder kommen!
2go Georgien
Heiß und fettig, ein Sommer in Armenien
August 11,2018
Der große Übergang
5 Uhr morgens, der Wecker klingelt. Wirquälen uns
aus dem Bett und machen uns auf in Richtung
Marschrutka. Wie immer wird der Mini-Bus bis auf den
letzten Platz voligequetscht, sodass sogar das Atmen
schwer fällt. Los geht’s Richtung Armenien!
Das Fahrzeug für alle Fälle-die Marschrutka
Die Straße dorthin ist das wohl schrecklichste Stück
Schlaglochpiste, das wir je gesehen haben. Man hat
den Eindruck, dass Georgien es den Reisenden
möglichst schwer machen möchte nach Armenien zu
kommen, so als würde dort nichts Besonderes auf
einen warten. Ais wir endlich an der Grenze
angekommen sind, bibbern und frieren wir. Der
Abschnitt liegt auf einem Flochplateau und trotz
Sommer ist es hier erstaunlich kalt. Nachdem wir
unsere letzten Lari umgetauscht haben geht es weiter,
aber wie so typisch in der wunderbaren Weit der
Marschrutkas nicht ganz ohne Pannen. Und Panne ist
hier im wörtlichen Sinn gemeint. Unsere Marschrutka
bleibt liegen, nichts geht mehr! Wir bleiben mitten in
einem Dorf stehen, der MotorspucktÖl und will
einfach nicht mehr anspringen - und das kurz vor
unserem Ziel. Aberdie Fahrer hier scheinen
nebenberuflich Mechaniker zu sein und mit etwas
Rütteln und Schrauben geht es dann doch
irgendwann weiter. Armenien zeigt sich dann schnell
anders als Georgien; viel trockner, weniger Vegetation.
Wir befinden uns schon im Übergangzu den Steppen
und Wüsten des Mittleren Ostens.
Landschaft zwischen Gyumri und Yerevan
Ihr dachtet, die Sache mit der “Flolzklasse“ ist nur so
ein Spruch? Dann schaut euch das an.
In Deutschland ist es heiß? Dann besucht erstmal
Yerevan!
Ein paarTage später kommen wir in der Hauptstadt
an, Yerevan. Hier verkriechen wir uns tagsüber wie
Flöhlenmenschen in unserem Zimmer. Das nicht nur,
weil es draußen 40 Grad hat und unerträglich heiß ist,
sondern auch weil Leni sich den Magen verdorben hat
und mit Fieber im Bett liegt. Yerevan fühlt sich ein
wenig so an, als wäre man in der alten Sowjetunion.
Die Architektur ist stark vom alten Sowjetstil geprägt
(nein, wirklich nichtsehrschön) und Russisch istquasi
zweite Amtssprache. Die (von Soviets gestalteten)
Kaskaden hoch gesprintet auf das Dach Yerevans, hat
man an klaren Tagen einen guten Blick auf den Berg
Ararat. Der heiligsten Berg der Armenier, von dem sie
glauben, dass dort Noah mit seiner Arche gelandet ist.
Die Armenier sagen, dass der Ararat ihnen gehört und
sie ihn eigentlich nur an die Türkei ausgeliehen haben.
Trotzdem ist es für sie eine Odyssee, dem Berg einen
Besuch abzustatten. Ein direkter Grenzübertritt ist
nicht möglich, so dass man als Armenierdafüreinen
Umweg von über 100 km auf sich nehmen muss. Die
Beziehungen zurTürkei sind immer noch stark
belastet, weil diese bis heute die Verbrechen am
armenischen Volk leugnet und derlei Schikanen
prägen das Miteinander bis heute.
Die Kaskaden von Yerevan
Du bist auf Diät? Dann mach einen großen Bogen
um Armenien!
Sprechen wir über armenisches Essen: Es ist fettig,
sehr fettig und sehr fleischlastig. Zum Frühstück gibt
es vorzugsweise Spiegelei mit einem halben Kilo
geschnittener und gebratener Lyonerwurst.
Knoblauch ist praktisch in jedem Fleischgericht
enthalten, und so heißt es entweder: Beide essen
Fleisch odereinervon uns muss mit einer
Wäscheklammer auf der Nase schlafen. Lavash, ein
dünn gebackenes, fast meterlang zusammengefaltetes
Brot ist überall zu haben und ergibt zusammen mit
Schafskäse einen schnellen Mittagssnack von der
Fland. Ansonsten ist es hier ähnlich wie in Georgien, es
gibt Wein und viele Menschen versorgen sich über
Eigenanbau im eigenen Garten selbst mit Obst und
Gemüse. Nachdem wirschon in Georgien einen
ordentlichen Anteil Weißbrot hatten, sehnen wir uns in
Armenien doch so langsam zu unserem guten alten
Vollkornbrot zurück. Vollkorn made in Germany rules!
Lavash (dünnes Brot) gefüllt mit Fleisch, frischen
Kräutern und nicht zu wenig Zwiebeln
Geburtsort des Christentums
Armenien ist ein zutiefst christliches Land. Schon vor
über 1.700 Jahren hat man dort das Christentum zur
Staatsreligion gemacht, so früh wie in keinem anderen
Land der Welt. Die Armenier sind sichtlich stolz auf
diese lange Tradition und sagen über ihr eigenes Land,
dass wenn man diesem den christlichen Glauben
nähme, würde nichts mehr übrig bleiben. Die Klöster
sind zum Teil uralt und versprühen einen besonderen
Charme. Zwar sind die Anlagen oftdurch inländische
Touristen belagert, von denen jeder das schönste
Selfie von sich schießen möchte, dennoch kann man
spüren, dass derGlaube noch immer stark und intakt
ist.
1.000 Jahre alte Gruft (ob in den Gräbern noch
menschliche Überreste sind?)
Per Anhalter durch Armenien
Zum ersten Mai auf unserer Reise trampen wir, und
was wir dabei erleben, ist wirklich aufregend. Zunächst
zieht derVerkehrzäh an uns vorbei und die Autofahrer
winken nur ab, irgendwann aber halten zwei Mädels
aus Bologna, Ciao! Das Auto ist eigentlich voll, aber
nach etwas Umschichten und Quetschen passen wir
irgendwie samt unseren Rucksäcken auf die Rückbank
des kleinen Flitzers und schon geht’s ios. Wie sich
herausstellt sind die beiden Italienerinnen gerade mit
dem Auto fürzwei Wochen in Georgien und Armenien
unterwegs. 120 km weiter verabschieden wir uns von
den beiden und möchten mit den “Wings ofTatev“,
der längsten Seilbahn der Weit, rüber zum Kloster
“fliegen“. Wir haben Pech, denn die nächsten Tickets
gibt es erst wieder in 3 Stunden, also beschließen wir,
doch einfach dorthin weiterzu trampen. In Summe
sind wir an diesem Tag in 4 verschiedenen Autos
mitgefahren und haben sehr interessante Menschen
kennengeiernt!
Anhalten, bitte! AbenteuerTrampen in Armenien
Lohnt sich die Reise nach Armenien?
Bevor wir nach Armenien kommen, hören wir von der
großen Gastfreundschaft dieses Volkes. Leider sind wir
aber lange auf der Suche nach derselben, bis wir bei
vereinzelten netten Begegnungen eine Vorstellung
davon bekommen, was gemeint ist. Zum ersten Mal
sind wir nicht nur Fremde, sondern fühlen uns auch
so. Wir werden weder mit offenen Armen empfangen,
noch scheinen die Armenier ein besonderes Interesse
an uns zu haben. Dieser Eindruck steht im deutlichen
Kontrast zu unseren Erfahrungen in Georgien und zum
ersten Mai auf unserer Reise fäiit uns der Abschied
nicht schwer. Wir wollen Armenien und seinen
Menschen kein Unrecht antun, letztend lieh sind die
Erfahrungen auf einer Reise immer sehr subjektiv.
Vielleicht war die Stimmung in der Gesellschaft auch
noch etwas angespannt nach den politischen
Unruhen zu Beginn des Sommers. Trotz aiiem, haben
wir einen recht guten Eindruck von Armenien
bekommen und können festhaiten, dass es einen
großen Unterschied zwischen der Flauptstadt und
dem Rest des Landes gibt, der sehr ländlich geprägt
ist. Wie jede Reise hat sich für uns auch diese gelohnt,
für ein Wiedersehen ist der Funke leider nicht
übergesprungen. In diesem Sinne heißt es für uns
erstmal “Ciao Armeniai“.
Salam! Backpacking durch Iran
August 28,2018
Terroristen, Atomwaffen und sonstige Gefahren
Knapp 10.000 km sind wir schon über Land gereist
und dann war es irgendwann soweit-wir gehen in
den Iran. Iran hat ein schlechtes Image. Mit wem auch
immer wir überdas Land sprechen, heißt es stets:
Passt auf euch auf! Iran ist gefährlich! Dort leben doch
so viele Extremisten? Zu guter letzt ist das Land im
Frühling wieder in die Schlagzeilen geraten, als Donald
Trump den Ausstieg der USA aus dem
Atomabkommen mit Iran verkündet hat. Das alles hat
uns natürlich in Gedanken begleitet, als wir eines
morgens Anfang August zur Grenze nach Iran
aufgebrochen sind. Angst hatten wir nicht, viel mehr
waren es die Unsicherheit, wie das Land und die
Menschen dort tatsächlich sind und was uns erwarten
wird, die nervös gemacht haben. Die letzten Meter zur
Grenze waren deshalb auch ein echter Nervenkitzel.
Treffen wir gerade eine unüberlegte Entscheidung?
Werden wir uns unwohl fühlen? Wie werden die Iraner
auf uns Ausländer reagieren? Und ist die Sittenwache
dort wirklich so streng und radikal wie man hört?
Nach einem Monatquerdurch das Land können wir
sagen: Iran birgt tatsächlich mehrere Gefahren.
1.) Von den Menschen überrascht zu werden: Noch
nirgends wurden wir so mit offenen Armen empfangen
und noch nirgends waren die Menschen so herzlich zu
uns wie in Iran. Teilweise jubelten uns Leute auf der
Straße schon fast hinterher.
Mister, can I help you? Gastfreundschaft auf Persisch
2.) Von der Natur überwältigt werden: Ja, Iran im
Sommer ist ein Glutofen, aber das Land besteht nicht
nur aus brennenden Wüsten, sondern ist extrem
vielfältig. Von den üppig grünen Wäldern im Norden
am Kaspischen Meer, zu den Wüsten in Zentral- und
Ostiran mit seinen idyllischen Oasendörfern, bis zu
unbeschreiblichen anderen Orten, die wir nicht
verraten möchten, Iran ist ein Naturerlebnis. Und ein
Land der Berge. Diese sehen einfach nur fantastisch
aus und sind mit Worten nicht zu beschreiben.
Schwarz, weiss, rot, grau gefärbt und in so seltsamer
Weise aufgeschichtet und aufgetürmt, dass es aus der
Entfernung wie eine 3D Computeranimation aussieht
- unglaublich.
Wüste gibt’s in Iran viel!
Unglaubliche Gesteinswelt
3.) Islamische Architektur kennenlernen, die
begeistert: Iran beherbergt einige der wohl schönsten
Moscheen der Weit, die wie aus 1000 und 1 Nacht
anmuten.
Masjid-e Shah in Esfahan
4.) Nicht mehr gehen zu wollen: Iran ist völlig anders
ais das mediale Bild bei uns zu Hause transportiert.
Wir haben uns von Anfang an wohi gefühlt und unsere
vielleicht unterbewusst vorhandenen Sorgen sehr
schnell abgelegt. Iran ist außerdem ein sehr sicheres
Land mit unglaublich freundlichen und herzlichen
Menschen, die nur darauf warten, der Weit zu zeigen,
wie ihr Land tatsächlich ist. Die persische Kultur ist
jahrtausende alt und einen Teil davon zu erleben eine
große Bereicherung.
Nicht zu vergessen, das Essen!
Zwischen Tradition und Moderne - Liberale vs.
Religiöse
Nach einem Monat in dem Land haben wirdas Gefühl,
einen guten Eindruck in die doch tief gespaltene
Gesellschaft bekommen zu haben. Die
Auseinandersetzungen zwischen Konservative und
Liberale, stellt uns vor große Fragezeichen bezüglich
der Zukunft des Landes. Oft hatten wirdas Gefühl,
dass die Menschen gehemmt sind durch die
moralischen Zwänge, die ihnen durch die Muiiahs
auferiegt werden, dass es eigentlich gegen ihre Natur
geht, sich diesen Vorschriften zu unterwerfen.
Gleichzeitig sind in vielen Städten Frauen im
schwarzen Schieier, dem Tschador, der Ausdruck
besonderer Frömmigkeit ist, nach wie vor häufig
anzutreffen. Es fällt schwer nach wenigen Wochen ein
Fazit zu ziehen, auch wenn wir zahlreiche, erstaunlich
offene politische Gespräche mit Einheimischen
geführt haben. Die Zukunft wird sicherauch sehr stark
davon abhängen, inwieweit sich das Verhältnis zu den
USA verbessert. Unter Präsident Trump ist damit nicht
zu rechnen und so leiden die Menschen momentan
unter den harten Sanktionen.
Multiethnische Gesellschaft mit Lebensweisen wie
vor 500 Jahren
Auch wenn wir selbst keine Begegnung mit ihnen
hatten, gibt es sie doch noch immer: Nomaden. Bis
heute gehen ca. 2 Millionen Iraner dieser traditionellen
Lebensweise nach und ziehen mit ihrem Vieh durch
das Land. Aberauch so haben wireinen Eindruck von
der großen ethnischen Vielfalt bekommen. Von den
Azeris im Norden bis zu den Arabern am Golf, in
beinahe jeder Stadt haben die Menschen ein anderes das nur schwer zu ergründen ist, aber definitiv
Erscheinungsbild. Und so ist Iran ein riesiges Puzzle, besucht werden sollte!
Grenzerfahrung Pakistan
September 26,2018
Reisedauer: 3,5 Wochen
Intensität und Gefühlserleben: extrem.stark
Erfahrungsausmaß: extrem.schön.
Erster Kulturschock in Karachi
Wo soll ich anfangen? Am Besten dort, wo unsere
Reise in Pakistan begonnen hat, Karachi. Offizielle
Einwohnerzahl: 14,9 Millionen, somit eine der größten
Städte der Welt!
UnserTaxifahrer kämpft sich durch das Verkehrschaos,
die Rikschahs und die vielen Menschen auf der Straße
und bringt uns zu einer Unterkunft, die wir in einem
der wenigen Backpacker-Blogs weiche es bisher zu
Pakistan gibt, gefunden haben. Was uns erwartet
wissen wir bisher nicht und können es nur erahnen,
ais er uns in einer Seitenstraße mitten im Chaos eines
riesigen Eiektromarktes, und einersehr konservativ¬
sunnitisch geprägten Gegend, rausschmeißt.
Chaos im Viertel des Eiektromarktes
Verschluckt vom energetischen Sog
Der Lärm ist ohrenbetäubend, in der Luft liegt eine
schwere Mischung aus Abgasen, Garküchen, Fäkalien
und Gewürzen. Es haut mich fast um! Auf den Straßen
sehe ich fast ausschließlich Männer und wirsind in
Windeseile der Blickfang! Um den unangenehmen
Blicken etwas entgegenzuwirken ist das Kopftuch
schneller wieder auf ais es mir lieb ist. Es fäiit schwer,
die Lage in den ersten Momenten hiereinschätzen zu
können. Irgendwie will sich das gute Bauchgefühl
einfach nicht einstellen, aber vielleicht dauert es
dieses mal einfach länger, hier wo alles so extrem
anders ist? Vom Chaos, den unendlich vielen
Sinneseindrücken und dem Schiafmangel durch die
Anreise aus Iran, sind wir völlig überladen, so dass wir
den unterirdischen Zustand unseres Zimmers erst
hinterher so richtig wahrnehmen. Da das Bett so gar
nicht einladend aussieht, zieht es und erst Recht raus
in’s Geschehen. Ganz plötzlich reist uns das Chaos
auch schon ungefragt in seinen Sog, um uns für die
nächsten Stunden zu verschlucken.
Barfuß auf dem “Schlachtfeld“, ab in’s
Krankenhaus
Auf den Straßen sehe ich zum ersten mal
schwerbewaffnetes Militär iive, die
Wohlfühlatmosphäre bleibt also weiterhin aus. Wir
erkunden den lokalen Marktauf dem es zugeht wie im
Zirkus. Fleischer sitzen barfuß auf dem “Schlachtfeld“,
Mangos und Gemüse sind übersäht von
abertausenden Fliegen, so etwas habe ich noch nie
gesehen! Irgendwann spuckt uns der energetische Sog
am Abend dann plötzlich wiederaus und wirsind
völlig k.o.. Es folgt eine grausame Nacht, die uns am
nächsten Tag in’s Krankenhaus zwingt. Da warwohi
was am Essen schlecht, und das obwohl wir das
freundliche Angebot des Fleischers abgelehnt und der
köstlichen Mango widerstanden haben. Die
medizinische Versorgung im Krankenhaus war
jedenfalls top, zumindest so lange man nicht mit
deutschen Standarts vergleicht. Nach acht Stunden
kam die Infusionsnadel ab und Philipp ging es endlich
wieder gut. Unser Start war also unglücklicherweise
leider sehr rauh und eine echte FHärteprobe!
Barfuß auf dem “Schlachtfeld“
Im Norden weht ein anderer Wind
Durch unseren Entschluss, möglichst zügig raus aus
den großen Städten und das Weite im Norden zu
suchen, hat sich das Blattdann doch nochmal
gewendet! Nicht nur bei Nacht, als der riesige
Gletscher des Rakaposhi seinen eisigen Wind in unser
Zelt trägt, auch in der Kultur, die sehr herzlich und viel
entspannter ist, weht ein anderer Wind. Das Essen ist
hier oben sehr einfach und frisch! Je nach Gebiet
werden die sehr traditionell gekleideten Frauen zwar
von ihren Männern fern der Öffentlichkeit gehalten,
aber die allgemeine Haltung ist hier oben in der Natur
spürbar entspannter. Als Touristin kann ich mich hier
problemlos und frei, ohne Kopftuch, bewegen und da
kommt dann auch endlich das gute Bauchgefühl!
Unendliche Freiheit und gutes Bauchgefühl
Wände und Relationen
Wirsind in der Region Gilgit-Baltistan, sehen hierdas
höchste Gebirge der Welt den Karakorum und erleben
die erbarmungslose Gewalt der Berge am eigenen
Leib, als wir vom Muskelkater geplagt einen langen
Abstieg vom Rakaposhi Basecamp zurücklegen. Die
riesigen Berge sind wie Wände und verändern
Relationen in meinem Kopf, als ich in Hunza aus
unserem Zimmer stolpere und gleich drei 7000er sehe,
die dort ganz selbstverständlich nebeneinander
ruhen, einfach so! Einige Tage spätersehen wir dann
einen echten Giganten, unseren ersten 8000er. Er ist
einer der höchsten Berge der Erde und misst stolze
8126m, der Nanga Parbat. Der Norden Pakistans
vereint gleich drei gigantische Gebirge: Karakorum,
Himalaya und Hindukusch, das gibt es so kein zweites
Mal und ist ein einmaliger Anblick. Für alle Bergsteiger,
Trekker oder reisende Naturliebhaber wie uns, denen
es an vernünftiger Ausrüstung mangelt, ein Wahnsinns
Erlebnis.
on top ofthe world
Am Ende Wehmut auf der Seidenstraße
Als ich morgens in Passu, ganz nah an der Grenze zu
China, auf der Seidenstrasse stehe und wir uns per
Anhalterauf den Rückweg machen um Pakistan nach
starken drei Wochen zu verlassen, werde ich fast etwas
wehmütig. Ende gut alles gut!
Seidenstraße kurz vor der Grenze zu China
Thailand mit und ohne Tourismus
November 6,2018
Erste echte Auszeit
In Thailand gönnen wir uns unsere erste richtige
Reisepause, die wir nach den letzten Monaten
dringend nötig haben. Wirerhoien uns in einem
kleinen familiären, noch relativ unüberlaufenen Hotei,
dass wir von unserer ersten Thaiiandreise 2015, ais wir
noch Reisefrischiinge waren, kennen. Zum ersten Mai
auf unserer Reise kehrt wirklich Routine ein und jeder
Tag läuft gleich ab: eat-sleep-read-repeat und
natürlich endlich schwimmen im Meer! Nachdem die
Akkus wieder voii sind können wir es kaum erwarten!
Genug gechillt! Wir wollen weiter!
Zwischendurch ist auch mal etwas Kritik von Nöten
Zum ersten Mal finden wir uns in Situationen wieder in
denen wirvom vielen Tourismus rund um die
bekannten Inseln und Großstädte Thailands genervt
sind. In unseren vergangenen Ländern, waren wir
praktisch immer die einzigen Touris. Die Thais
scheinen vielerorts oft übersättigt vom vielen
Tourismus, worunter die Authentizität schwer leidet.
Außerdem scheint die Kochkunst vieler Regionen in
den letzten Jahren schwer gelitten zu haben. Hiife! bis
dato war in doch ein echter Fan vom thailändischen
Essen. Wir können zuschauen wie in jedem Pad Thai
und in jeder einst so köstlichen Nudelsuppe
mindestens zwei Esslöffel Zucker landen, auf den
Tischen findet man zum Nachwürzen kein Saiz und
Pfeffer mehr, sondern das Zuckergias. Alles schmeckt
süß und so ersetzen wir das bisherige “no spicy
please“ durch “no sugar please!“. Manchmal klappt es,
oft müssen wir uns aber einfach mit dieser
Neuinterpretation der Thailändischen Küche
abfinden. Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass es
Thailand auch noch “in authentisch“, quasi ohne
Touris und Zucker, geben muss! Und so machen wir
uns auf ins Unbekannte...
Die Nudelsuppe ohne Zucker ein echter Genuss
Die einzigen Langnasen am See
Auch der Nordwesten des Landes ist touristisch gut
erschlossen. Immer mai wieder kommen uns ein paar
Touris, mit den bekannten Schürfwunden, die wohl
dem Reifenprofil derScooter kombiniert mit leichter
Selbstüberschätzung geschuldet sind, entgegen.
Wir sind selbst mehrere Tage mit dem Roller
unterwegs und legen endlose Strecken auf einfachen
Straßen gesäumt von Reisfeldern und
Bananenplantagen zurück. Unser Zeit schlagen wir an
einem wunderschönen See auf, den wir nach einer
irren Passstrecke in der Abenddämmerung erreichen.
Wirschaffen es geradeso, unser Zelt aufzubauen,
bevor es mal wieder anfängt zu regnen. Egal, die
Aussicht und die Stimmung entschuldigen die Nässe
um und im Zeit. Auf dem Platz rund um den See sehen
wirzwarauch wiederviele inländische Touristen, aber
die einzigen Langnasen sind wir. Wir sind nur rund
20km von der Grenze zu Myanmar entfernt, können
hier jedoch leider keinen Besuch abstatten, da die
Landesgrenze dicht ist.
Trotz Regen toller Spot am See
Isan Love
In der Region Isan, dem Nordosten des Landes, finden
wirendlich was wirsuchen! Hier scheint Thailand über
weite Strecken noch wirklich unberührt. Am Ufer des
Mekong verbringen wir die schönsten Tage unserer
Thaiiandreise. Der Fiuss gehört mit seiner Länge von
circa 4350km zu den zwölf längsten Flüssen der Erde
und zieht mich durch seine Unberührtheit sofort in
seinen Bann. Wenn wir abends am Ufer stehen und
den wunderschönen Sonnenuntergang mit zwei
Chang, alternativ Leo, genießen, sehen wir
gegenüberliegend Laos. Wir lernen also ein weiteres
Grenzgebiet kennen. Hier scheint es, ais würde sich
die thailändische Kultur im Übergang zur laotischen
befinden. Entspannt, entschleunigt, ruhig.
Mekong
Resümee: In Thailand wird man enttäuscht, wenn
man auf der Suche nach echter Kultur die weit
bekannten Ziele ansteuert, jedoch umso mehr
belohnt, wenn man sich die Mühe macht, abseits der
Pfade auf die Suche zu gehen.
Abseits bekannter Pfade
Behind the scenes oder auch Weltreise ungeschminkt
November 29,2018
Momente in denen man sich mal kurz nach Hause
wünscht
1) Kranksein
Ich sitze in unserem kleinen Zimmer auf der Couch mit
dem grünen Polster, wo ich es mir gerade so bequem
machen kann. Immerwieder werfe ich einen Blick auf
unser Bett, wo Phips immer noch liegt. Ziemlich
ungewöhnlich für ihn, es ist mittlerweile 13:30 Uhr.
Dass er heute nicht raus kommt liegt leider nicht
daran, dass es gestern spät wurde oder das Bett so
einladend ist (trotz hochwertiger Unterkunft für
indische Verhältnisse, verdammt unbequem!). Nein!
Da war es mal wieder: das Essen. Mein erster Gang
nach einem schnellen Frühstück, das ich heute leider
alleine einnehme, führt mich also zu der nächst
besten Apotheke. Draußen erwartet mich der
gewöhnliche Indische-Städte-AlItag. Es ist laut,
dreckig und das gewöhnliche Chaos ist bereits in
vollem Gange. Zwischen hupenden Tuk-Tuks,
egoistischen Autofahrern und Garküchen, die ihre
unverwechselbaren Gerüche verbreiten, mache ich
mich auf die Suche. Nicht die Nerven verlieren!
Einfach Ausblenden! So ist es hier halt! Hauptsache
irgendwo ist eine Apotheke, oder so was ähnliches!
Direkt an der Straße finde ich einen kleinen Drugstore,
wo ich dem netten Inder, der kaum Englisch spricht,
irgendwie erkläre, was ich brauche. Zurück in der
Krankenhöhle lese ich erstmal nach, was da jetzt
eigentlich so schnell über den Ladentisch in meiner
Tasche gelandet ist. Antibiotika, natürlich! Der Rest für
die aktuelle Symptomatik eigentlich völlig
unbrauchbar. Und jetzt? Mal wieder sind wirauf uns
allein gestellt, müssen selbst die richtige Entscheidung
treffen uns in Gelassenheit üben und darauf vertrauen
das Richtige zu tun. Alles wird gut!
Krankenhausaufenthalt in Karachi
2) Ausblenden geht und darf nicht immer
Wir haben in den letzten Monaten für die jeweilige Zeit
viele ungewöhnliche klimatische Gegebenheiten so
deutlich erlebt, dass uns schnell klar war: Das ist
Klimawandel! Plötzliche Überflutung durch Starkregen
(längst nach Ende der Regenzeit) in Amritsar,
Hochwasser und Sturm in Südindien durch einen
Zyklon in Sri Lanka, Starkregen in Thailand, brütende
Hitze mit Rekordzahlen in Teheran, heißester Sommer
in Yerewan, leere Salzwasserseen in der Wüste Lut in
Iran, schmelzende Gletscher in Pakistan. Hier hört für
uns das Ausblenden auf! Zu Hause war das oft noch
diffus, wir hören ständig davon, und was folgt? Zum
ersten Mal hören wir nicht nur davon, wir können es
sehen und spüren, sind also live dabei! Für uns stellt
sich die Frage: Was machen wir aus dieser Erfahrung
und wieviel ist unsere Erde uns wert?
3) Plastic everywhere
Für mich immer wieder besonders schlimm und oft
schwer mit den überwiegend positiven Erfahrungen
vereinbar: Überall dieser Müll! Wunderschöne
Landteile die touristisch so gut wie unerschlossen sind
plus Müll. Felder ohne eine Menschenseele plus Müll.
Bekannte Sehenswürdigkeiten plus Müll. Kleine Städte
und Dörfer, deren Straßengräben voll mit Müll sind.
Meere, Seen und Flüsse auf denen ganze Seen von
Plastikmüll schwimmen. Traumstrände in Goa,
wunderschön und einzigartig, die den Titel
Traumstrand mehr als verdient hätten, wäre da nicht
der Müll. Tiere, heilige Kühe, die sich vom am
Straßenrand entsorgten Hausmüll ernähren. Sinnlose
Dreifachverpackungen, für jedes Getränk einen
Strohhalm, für jede Banane eine Tüte. Etliche
Zugfahrten, wo die Natur als große Mülleimer dient.
Essensverpackungen, Plastikbesteck und
Plastikflaschen werden ungeniert nach Gebrauch aus
dem Fenster geworfen. Und besonders hier merke ich
was mir besonders zu schaffen macht. Es ist die
Haltung der Menschen die sie verkörpern und die
Tatsache dass sie oft ein Kind an der Hand haben, das
mit großen Augen zuschaut wie es geht. Ungeniert,
unwissend, egoistisch, stumpf. Völlig unbekümmert,
wenn ich sie währenddessen kopfschüttelnd
beobachte, lachend wenn ich sie darauf anspreche.
Hinzu kommt der unendliche und unüberlegt Konsum
von Plastik weltweit!
Müll und übler Gestank, Brahmaputra Indien
Immer wieder diskutieren wir: Wo tragen wir selbst
dazu bei? Welche Rolle spielt der Tourismus und die
Bildung in den einzelnen Ländern? Was ist Teil der
Kultur? Wie schaffen wir es uns uns wieder davon zu
distanzieren ohne egoistisch zu sein? Und am
Wichtigsten:
WAS KÖNNEN WIR SELBST VERÄNDERN UND
BESSER MACHEN?
Als ich mit dem Schreiben dieses Eintrags fertig bin,
fällt mir ein, was ich total vergessen habe. Die
Herausforderungen während unendlich langen
Zugfahrten, beispielsweise in der klassisch indischen
Sleeperclass und das fast tägliche Verlassen der
eigenen Comfortzone, wenn es um die Hygiene der
Essenszubereitung, des Bettbezuges oder der
Toiletten geht.
Okay, genug! Das wäre dann wohl ein weiterer Eintrag
für sich...
Zugfahren in Indien, unendliche Distanzen
Halbzeit & Happy New Year
December31,2018
Wirschließen das alte Jahrab und begrüßen das
Neue. Wir kommen nicht ganz hinterher, ist tatsächlich
schon Halbzeit unserer Reise? Neee? Wie? Was war
das für ein Jahr? Besonders in den letzten Monaten
vor unserer Abreise haben wir oft in den
Vorbereitungen gesteckt, wollten gleichzeitig unseren
verbleibenden Alltag weiterhin genießen und waren
parallel mit dem Kopf oft schon irgendwo unterwegs.
Dann hatten wir ein wunderschönes Abschiedsfest mit
all unseren Liebsten und nach einem schweren
Abschied ging es plötzlich los. Wir lassen unser
Zuhause für ein Jahr zurück und machen uns, jeder
mit einem viel zu schweren Rucksack bepackt, auf ins
Unbekannte. Russland, Georgien, Armenien, Iran,
Pakistan, Indien, Thailand, und Malaysia, wo wir
besonders schöne Tage mit Besuch von Zuhause und
einem kleinen zweiten schweren Abschied hatten,
liegen bis heute hinter uns. Wow, was waren die
letzten Monate aufregend, spannend, großartig,
anstrengend, ernüchternd, aufreibend, waghalsig,
lustig, überwältigend, lehrreich, befreit und einfach
nur schön. Wirsind um unendlich viele Erfahrungen
reicherund haben schon jetzt so viel Neues über die
Welt, die Menschen und uns selbst gelernt. Wir sind
gespannt, was das zweite Halbjahr für uns bereithält
und begrüßen es voller Vorfreude. Wirwünschen all
unseren Lieben einen guten und gesunden Start ins
Jahr 2019 und freuen uns schon jetzt auf unsere
Wiedervereinigung mit euch! In diesem Sinne: HAPPY
NEW YEAR!!!
Happy New Year!!!
Per Anhalter durch Malaysia
January 24,2019
Abenteuer Trampen
Es ist heiß, wie immer eigentlich in den letzten 6
Monaten. Die beiden Rucksäcke die wir jeweils
schleppen, ziehen an den Schultern und der Schweiß
läuft. Trotzdem, es sind noch ein paar Kilometer, bis
wir an der Straße sind, von wo aus wir ein Auto
Richtung Malaysia erwischen wollen. Ausnahmsweise
sind wir nicht zu Zweit, sondern haben uns für unser
erstes Tagesziel mit Jojo, den wir bereits in Iran und
Pakistan getroffen haben, verabredet.
Jetzt stehen wir also zu Dritt an dieser Ausfallstraße,
irgendwo am Rande einer Großstadt in Südthailand
und haben keine Ahnung, wie es laufen wird. Das
Trampen, aber auch die Reise durch Malaysia.
Ursprünglich hatten wir das Land gar nicht auf unserer
Route und auch als wir an der Straße stehen und die
Daumen rausstrecken, ahnen wir noch nicht, dass
Malaysia ein echtes Highlight für uns werden wird. Es
wird am Ende sogar das erste Land sein, das wir
ausschließlich per Anhalter bereisen. Aber eins nach
dem anderen...
Wenn’s mal wieder länger dauert.. .such’ dir besser
einen Schattenplatz!
Zu Fuß über die Grenze
Nach einigem Warten haben wir es geschafft und es
findet sich jemand, der 3 Personen + 5 Rucksäcke
mitnimmt. Wir überqueren die Grenze zu Fuß und sind
ganz aus dem Häuschen. Das achte Land unserer
Reise! Wieder ein neues Abenteuer! Wahnsinn! Wir
haben an dem Tag aber noch mehr vor, also geht’s
weiter mit dem Trampen. Irgendwie schaffen wir es, in
einem Auto auf die Fähre rüber nach Penangzu
kommen. Gerade noch rechtzeitig, denn gerade als wir
uns mit Sack und Pack beim ersten Essensstand
hinsetzen, fängt es an wie aus Kübeln zu regnen. Wir
sind bestimmt seit 10 Stunden unterwegs, als wir
durchnässt und völlig verschwitzt endlich im Hostel
ankommen. Geschafft!
Abendstimmung am PenangPier
Multikulti Deluxe
Schnell merken wir, wie Malaysia funktioniert. Es ist
eine spannende Mischung aus Malaien, Chinesen und
Indern. Dabei vermischen sich die Gruppen nur wenig,
sodass die jeweiligen Kulturen prägnant bleiben. Mit
am besten lernt man eine Kultur über ihr Essen
kennen. Das Essen beim Inder ist authentisch, ebenso
das chinesische. So fühlen wir uns wahlweise wie in
Indien, China oder eben Malaysia. Toll! Wirsind aber
auch fasziniert davon, wie gut das Zusammenleben
hier funktioniert. Alles geht nebeneinander her und
gehört doch irgendwie zusammen. Manchmal fragen
wir in Gesprächen nach: „Where areyou from?“ Und
egal ob es offensichtlich der Abstammung nach ein
Inder oder Chinese ist, den wir fragen, die Antwort ist
immerdieselbe: „l’m Malaysian.“
Eastcoast vs. Westcoast
Ostküste von Malaysia, Westküste von Malaysia-wo
soll da der Unterschied sein? Es gibt einen und zwar
einen recht großen sogar. Die Westküste mit den
bekannten Reisezielen wie Meiaka oder Kuala Lumpur
ist sehr multiethnisch, vor allem chinesisch geprägt. Es
ist auch der liberalste und am weitesten entwickelte
Landesteil. Wir denken uns: Malaysia muss noch mehr
ais das sein. Schnell ist entschieden, dass wir
unbedingt auch noch die unberührten Landesteiie
kennenlernen möchten. Also, auf zur Ostküste und von
dort dann bis zum südlichsten Punkt Malaysias! Und
tatsächlich, der Unterschied ist greifbar. Hier
dominiert die maiayische Kultur, der Islam ist stärker
präsent. Wirsehen kaum andere Touristen und
beginnen langsam ein Gefühl dafürzu bekommen, wie
interessant dieses Land eigentlich ist. Wir kommen an
wunderschöne Strände, die wir so hier nicht erwartet
hätten, lernen viel über die malaysische Kultur und
fühlen uns allgemein ganz einfach sehrwohi.
Tolle Strände in Malaysia
Menschen, die Malaysia außergewöhnlich machen
Am allermeisten bleiben uns die freundlichen
Menschen in Erinnerung, immer bereit zu helfen oder
uns eine Mitfahrgelegenheit anzubieten, auch wenn
vielen das Prinzip des Trampens gänzlich unbekannt
war. Wir bekommen so viel Lächeln und so viel
Positives geschenkt, dass wir mehr als froh darüber
sind, Malaysia nicht nur als Zwischenstopp betrachtet
zu haben. Am Ende bereisen wirdie Halbinsel einmal
komplett per Anhalter, die Küsten entlang, inki. eines
Stopps in Singapur und verbringen fast einen ganzen
Monat in Malaysia.
Einerdervielen Menschen, die Malaysia füruns
unvergessliche gemacht haben
Entscheidungen, die dank einer Münze getroffen werden, oder auch nicht
February 24,2019
Sumatra
Wir haben lange hin und her überlegt, ob wir das
Abenteuer Sumatra wagen wollen oder nicht.
Eigentlich stand Indonesien ja gar nicht auf dem Plan,
aber als wir mal wieder über der Karte hingen, kam
Philipp plötzlich mit Sumatra um die Ecke. Sumatra?
Aceh? Tsunami!
Ich denke jeder erinnert sich noch an den furchtbaren
Tsunami von 2004, dann erst letztes Jahr erneut
mehrere schlimme Erdbeben die wieder mal
Indonesien trafen. Kein Wunder, dass wir bei der
Recherche erstmal auf eine Menge Reisewarnungen
stoßen. Die Entscheidung zieht sich über Tage. In
meinem Kopf spielen sich kurz mal Horrorszenarien
von Erdbeben und riesigen Flutwellen ab.
Und jetzt?
Irgendwann reicht es uns mit der
Entscheidungsfindung und wir werfen spontan eine
Münze. Und was zeigt die Münze? Kein Sumatra!
Hier wäre die logische Konsequenz jetzt eigentlich
klar, aber wir hören mal wieder auf unser Bauchgefühl
und entscheiden uns so fürSumatra und fürdas
Abenteuer. Bei den Vorbereitungen finden wir nur sehr
wenig brauchbare Infos zum Reisen auf Sumatra, was
das Ganze für uns noch reizvoller macht. Wir ahnen
schon, dass Sumatra wohl ziemlich wild ist. Unser
Eindruck vorab formt sich nicht nurwegen der letzten
wilden Orang Utans (die es sonst nur noch in Teilen
Borneos zu sehen gibt), es soll neben einem riesen
Dschungel auch aktive Vulkane und exotische Inseln
mit riesigen Korallen geben. Also, los geht’s!
Erste Nacht inklusive Einschlaflied und Wecker
In Sumatras Hauptstadt angekommen erwartet uns
erstmal ein kleiner Schock. Medan, Sumatras
Hauptstadt, erinnert uns im ersten Moment an die ein
oder andere indische oder pakistanische Stadt, die auf
den ersten Blick einfach nur laut, dreckig und arm ist.
Erste Stärkung in Medan, leckere lokale Spezialität
Nach einer Nacht in einem kleinen einfachen Zimmer,
direkt gegenüber einer Moschee, sind wir erstmal
gerädert. Morgens um fünf, also mitten in der Nacht,
weckt uns der Muezzin, achso und in den Schlaf
gesungen hat er uns freundlicherweise auch. Da
konnten selbst die Ohropax keine Abhilfe mehr leisten.
Dauerbeschallung non stop! Also nichts wie weg hier
und ab in die Natur.
Erste Nacht in Medan gegenüber der Moschee
Freilebende Orang Utans
Nach einer langen Fahrt, auf weniger guten Straßen,
harterVerhandlung mitder Busmafia und einem
Fußmarsch zur Unterkunft über wackelige Brücken,
kommen wirendlich im Dschungel an. Die
Atmosphäre mitten im Dschungel, der Ausblick und
der Wildwasserfluss direkt vor der Tür entschädigen
uns sofort für den anstrengenden Reiseweg.
Abkühlung nach Ankunft
Beim Trekking durch den Dschungel wird uns vorab
von Rain unserem Guide erzählt, dass wirzu einer
ehemaligen Orang Utan Auswiiderungsstation
wandern werden, wo wir mit etwas Glück die wilden
Orang Utans sehen können. Nach langem Suchen ist
es dann endlich soweit. Aus nächster Nähe schwingt
sich ein gewaltiges Weibchen langsam und kraftvoll
die Bäume runter, das lässt mir den Atem stocken und
ich bewege mich keinen Zentimeter vom Fieck. Dazu
gesellen sich drei weitere Orang Utans, unter ihnen
sogar ein Junges.
Moment des Staunens
Leider wird unsere Freude zwischendurch etwas
getrübt, als wir einen Guide beobachten, der einen der
Affen aus der Hand füttert. Die einstausgewilderten
Affen werden wie ich finde dadurch wieder vom
Menschen abhängig gemacht und in ihrer natürlichen
Lebensart einfach gestört.
Vulkane und Geisterstädte
Einen weiteren Stop legen wir am Fuße zweier Vulkane
ein. Einer davon ist aktiv so dass rund herum
Sperrgebiet ist. Im Sperrgebiet nahe des gewaltigen
Vulkans besuchen wir eine Geisterstadt die seit dem
letzten Ausbruch verlassen ist.
Verlassenes Wohnzimmer
Vereinzelt treffen wir auf ehemalige Dorfbewohner, die
dort tagsüber in ihren verlassenen Häusern ihrem
alten Leben nachhängen oder auf ihren Obstfeidern
arbeiten. Wegen der vulkanischen Erde explodieren
dort die Obstbäume und Gemüsefelder und wir
können gar nicht genug von Saiak, Mangosteen und
Papaya bekommen. Lange wollen wir hier oben
allerdings dann doch nicht bleiben, da die
Atmosphäre irgendwie etwas bedrückendes hat.
Ausblick auf einen der Vulkane von unserem Dach
Gibt es die Inseln vorne auf den Postkarten
wirklich?
Ich wollte schon immer mai herausfinden ob die
Insein, die man von den Postkarten kennt, tatsächlich
irgendwo auf der Weit existieren, oder ob das aiies nur
Illusion ist. Und hier kommt die Auflösung: Es gibt sie
wirklich! Noch nie habe ich so türkisfarbenes Wasser
und eine so postkartenhafte Kulisse gesehen, wie auf
den kleinen Inseln an der Westküste Sumatras.
Hier haben wir uns wirklich wie Robinson Crusoe
gefühlt, also Philipp auf jeden Faii. In einervon fünf
einfachen Strand hütten mit minimaler Ausstattung,
nur wenige Stunden Strom am Tag, völlig abhängig
von Musa, der die Hütten in Schuss hielt und übrigens
ein toller Koch war. Als wir morgens nach dem
Frühstück rechtsrum loslaufen kommen wir nach zwei
Stunden linksrum wieder zurück und haben einmal
die Insel umrundet. Puh, jetzt erstmal abkühlen im
kristallklaren Wasser und dazu eine Kokosnuss vom
Baum (sorry, aber war wirklich so!) und dann gibt es
auch schon fast wieder Mittagessen...und wie jeden
Tag, weich eine Überraschung! Fisch mit Reis.
Robinson Crusoe
Japan, das östlichste Land unserer Reise
March 6,2019
Big in Japan!
Voller Spannung und Vorfreude ging es für uns von
Sumatra nach Japan. Ein ganz schöner Cut und ein
krasser kultureller Sprung! Nach einer langen Anreise
und einem ersten Kälteschock stolpern wir kurz vor
Mitternacht irgendwo in einer Seitenstraße mitten in
Tokyo aus der Metrostation. Wir sind erstmai baff, ais
wirdie Häuserwände nach oben schauen. Werbung
und Reklame blinkt und leuchtet überall, dazu als
Kontrast eine schwach beleuchtete Seitenstraße in der
ein altes schickes Taxi steht und vergeblich aufseinen
letzten Fahrgast wartet. Wir können es noch nicht so
richtig glauben, wir sind tatsächlich in Japan! Big in
Japan!
erster Eindruck auf den Straßen Tokyos
Bisauf ein paarwenige Japanerdiezu dieser Uhrzeit
immer noch geschäftig wirkend aus der Metrostation
laufen wirkt die Straße wie leer gefegt, es ist
erstaunlich still. Wir hoffen dass uns das Hostei später
noch die Türe öffnet, denn jetzt müssen wir erstmal
essen! Wir setzten uns in das erstbeste kleine
Restaurant das wir finden, um kurz darauf unser erstes
japanisches Gericht zu genießen. Zur Begrüßung
schreien uns die zwei Köche fast an und rattern eine
Menge japanisch klingender Dinge runter. Sie wirken
dabei freundlich, das ist alles was wir verstehen. Etwas
belustigt von der lauten Begrüßung setzen wir uns
also. Die Stühle und Tische fast in Miniaturformat. Der
Koch reicht uns zwei warme kleine Handtücher, mit
denen wir erst nichts anzufangen wissen und kurz
darauf landen zwei köstliche Ramen Suppen
dampfend auf unserem Tisch. Ganz einfach aber sehr
edei und stilvoll angerichtet. Dazu gibt es heißen Sake,
der Philipp später in einen tiefen Schlaf verhilft. Nach
(erneut) lauter und ausgeprägter Verabschiedung
machen wir uns lächelnd, glücklich und zufrieden auf
die Suche unseres Hostels. Wir müssen nicht lange auf
die Karte schauen, bis uns eine junge Japanerin
anspricht und uns begleitet um uns den Weg zu
zeigen, welchen sie später übrigens wieder komplett
zurück läuft. Alle sind sehr freundlich und
zuvorkommend!
Ramen eines meiner Liebiingsgerichte
Tokyo die größte Stadt der Welt
Dafür dass Tokyo die größte Stadt der Welt ist, sind wir
überrascht wie geordnet alles wirkt. Abgesehen von
den Hauptverkehrsstraßen, einer berühmten
Kreuzung wo mehrere tausend Fußgänger gleichzeitig
grün haben, oder dem Electro-Market, wirkt vieles
erstaunlich ruhig. Wir entdecken ruhige Gassen in
denen sich lediglich ein paar E-Autos fast lautlos
entlangschlängeln. Selbst in der Metro drückt oder
drängeld niemand!? Keiner schert aus, alles steht bei
rot und geht bei grün. Wirsehen kaum jemanden der
mal etwas Abweichung von der geltenden Etikette
zeigt. Bald schon merken wir, dass uns vieles etwas zu
geordnet ist und uns die unendlich breite
unausgesprochene Etikette stört. Tattoos sind
verpönt, öffentliches Naseputzen und dezente
Liebesbekundungen ein No-Go. Die Stäbchen nicht in
den Reis stecken, sich selbst nicht nachschenken,
nachts nicht pfeiffen, usw.
Manga Girls und Tanzeinlagen
Im Gegenzug zur Etikette entdecken wir die Künstler-
und Modeszene Tokyos. Verrückte Manga Girls, junge
Leute die hippe Cafes hochziehen, stylische
Secondhandläden in denen tattoovierte Verkäufer
arbeiten. Wirsehen einen Beatboxer auf einer
Fußgängerbrücke der mit einem riesen Verstärker
abgefahrene Sounds produziert. Ein älterer Mann
tanzt wie unterStrom durch die Passanten. Eine
Gruppe von Hip-Hoppern probtim Park eine
Choreographie, bis ein uniformierter Wächter auf dem
Fahrrad ankommt und ihnen den Saft abdreht. Die
Jungs machen weiter! Hier begegnen uns vor allem
junge Leute, die wie es scheint einen Versuch wagen,
sich der größtenteils sehrangepassten und
geordneten Gesellschaft zu widersetzen. Das gefällt
uns!
Manga Girl
Per Anhalter ohne Standstreifen
Wirverbringen knapp drei Wochen in Japan und
bereisen weitere Städte. Alles fast ausschließlich per
Anhalter und das auf Straßen wo quasi kein
Standstreifen existiert. Wir machen Bekanntschaft mit
netten Truck-Fahrern, verständigen uns beim Trampen
mit Eländen und Füßen, schauen uns Kyotos Altstadt
an, laufen nachts zum Mahnmal in Fliroshima, und
reisen schließlich bis zur Westspitze Japans von wo
aus wir mit der Fähre nach Südkorea übersetzen.
Trampen hier besser mit Schild...
...und Freude trotz Kälte
Kolumbien - mehr als Guerilla, Escobar und Comuna 13
May 2,2019
Wir wechseln den Kontinent von Asien nach
Südamerika, wo wir die letzten Monate unserer Reise
verbringen wollen, bevor es zurück nach Europa geht
und wir einmal die Welt umrundet haben.
Trotz der langen Zeit die wir bis jetzt unterwegs sind,
sind wir vor jedem neuen Land immer noch aufgeregt
und voller Spannung, was uns erwarten wird. Schon
bei den Vorbereitungen zu Südamerika wird uns eins
schnell klar: Im Bezug auf unsere geliebte Freiheit
sowie die Sicherheit im Alltag müssen wir uns jetzt
nochmal umstellen. Wahrscheinlich fragt ihr euch an
dieser Stelle: “Umstellen was die Sicherheit betrifft,
nach Ländern wie Iran, Pakistan und Indien?“.
Ja! Fakt ist, dass die Ailtagskriminaiität hier in
Südamerika einfach nochmal eine ganz andere ist.
Natürlich gab es auch in Pakistan und Indien - das
gehört zur Wahrheit des Reisens in diesen Ländern
dazu - brenzlige Situationen und Momente, wo wir
uns bei Dunkelheit nicht auf der Straße aufhalten
wollten. Jedoch bestätigen hier in Südamerika die
Ausnahmen, besonders in den großen Städten oder
auf sehr abgelegenen Pfaden, die Regel. Nicht zu weit
abseits gehen und nie zu leichtsinnig werden. Die
nötige Vorsicht schränkt uns vor allem zu Beginn in
Kolumbien sehr ein. Trotzdem möchten wir uns selbst
ein Biid machen, es wäre nicht das erste Mal, dass wir
überwiegend positiv überrascht werden.
Bogota und Mick Jagger
Mitten in der Nacht kommen wir also in Kolumbiens
Flauptstadt Bogota an. Dass hier andere Regeln gelten
sobald es dunkel wird und die vielbeschriebene
Sicherheitsthematik ernst genommen werden muss,
merken wir spätestens, ais unser Taxifahrer an keiner
roten Ampei anhäit. Kaum jemand ist zu dieser Uhrzeit
noch abseits des Stadtkerns zu Fuß unterwegs, so gut
wie alle Türen und Fenster sind vergittert, die
Grundstücke mit Zäunen und Alarmanlagen gesichert.
Ganz anders tagsüber, hier sprüht die quirlige, bunte
Stadt und überall weht Musik durch die Luft. Da
wundert es nicht, dass sich hier einst der gute Mickdie
iokaie Süßigkeit hat schmecken lassen, die es heute
als “Obleas de Mick Jagger“ für ein paar Pesos bei den
Straßenverkäuferinnen zu kaufen gibt. Natürlich
verkauft jeder das „Original“. Marmelade und Käse?
Nicht nur ais Füllung der Obiade, auch Kekse, Torten
und heiße Schokolade genießt man hier gerne “con
queso“.
Ausblick über Bogota
Solo un poco Espanol
Nach ein paarTagen in der bunten Stadt, zieht es uns
wieder mal raus in die Natur. Je ländlicheres wird,
umso schwieriger verstehe ich das Spanisch. Philipp
ist sowieso ganz raus. Da hat sich die ein oder andere
Übungseinheit vorab doch schon sehr gelohnt, denn
dass hier vielerorts ohne Spanisch gar nichts geht,
hätten wir nicht gedacht. Dazu kommt, dass die
Einheimischen, spürbar stolz auf ihre Sprache, nicht
etwa langsamer sprechen wenn da so ein Gringo mit
“Disculpa me, hablo soio un poco espanol...“ um die
Ecke biegt, es jedoch sehr schätzen sobald man ein
paar Worte ihrer Sprache spricht. Durch ihre sehr nette
und liebenswürdige Art, fühlen wir uns unter den
Kolumbianern schnell wohl, auch wenn ein Fünkchen
Distanz gegenüber dem Gringo trotzdem immer
spürbar ist. Und so langsam stellt sich dann auch ein
anderes Gefühl als Wachsamkeit ein - Vertrauen. So
ganz loslassen können wirjedoch nicht, ein
Quäntchen Vorsicht schwingt hier in Südamerika
immer mit.
Kolumbien nie ohne Musik
Aufstieg auf 4800m endet im Schneesturm
Wir sind überrascht was für eine atemberaubende
Natur Kolumbien zu bieten hat. Auf unserer Reise
durch das Land sehen wir neben unzähligen
verschlafenen Kolonialstädten, wo im gepflasterten
Seitensträßchen ein alter VW Käfer ruht,
wunderschöne Natur.
Ein alter Käfer, typisches Straßenbild in den kleinen
Dörfern
Dass sich von Nordwesten bis zur Südspitze
Südamerikas die Anden entlangziehen wussten wir
vorab, dass wirjedoch einen 4800m hohen Gipfel
besteigen werden, wo uns oben zur Belohnung ein
Schneesturm empfängt, hat uns selbst überrascht.
Aufstieg auf 4800m
Ein typisches kolumbianisches Gericht
Von der Mandarine über die Papaya und unzähligen
Früchten, von denen wir noch nie gehört haben,
wächst hier in Kolumbien dank der verschiedenen
Höhenlagen und Klimata so gut wie alles. Nicht zu
vergessen, derweltbekannte kolumbianische Kaffee.
Da wundert es uns, wo denn der köstliche Kaffee, den
wir als Kaffeeliebhaber so herbeigesehnt haben und
das ganze frische Obst sowie Gemüse eigentlich
landet. In unseren Tassen und auf unseren Tellern
finden wires jedenfalls auf Anhieb nicht, da müssen
wirschon richtig suchen. In den kleinen
einheimischen Lokalen, die meist sehr einfach
gehalten sind, steht nach allerhöchstens zehn Minuten
das typische “Almuerzo“ (Mittagessen) vor uns auf
dem Tisch. Immer dabei, vorab eine Suppe (unser
Favorit), gefolgt von einem Schlag Reis und ein paar
Pommes, einem kleinen Maisfladen, dazu ein gutes
Stück Fleisch (oft sehr zäh), ein Stück Riesenavocado
(haben wir vorher noch nie gesehen) und etwas
Bohnen. Dazu eineSpurGemüse und die
obligatorische Kochbanane. Für den Hunger
zwischendurch bekommt man an jeder Ecke die zu
Beginn noch sehr verführerischen Empanadas, fritierte
Teigtaschen die man mit verschiedenen Soßen
aufpeppen kann. Die klassischen Gerichte sind also
alles andere als leichte Kost und liegen uns beim ein
oder anderen Aufstieg schonmal schwer im Magen.
Almuerzo en Colombia
Vom leckeren Obst und den unzähligen exotischen
Früchten können wir hingegen nicht genug
bekommen. Unser Favorit “Jugos“, frische Obstsäfte in
allen Variationen.
Exotische Früchte
Busfahren ohne Ende, nicht ohne Belohnung
Die Strecken von A nach B steilen uns hier nochmai
vor eine ganz andere Herausforderung. Nach
tausenden von Kilometern, die wir bisher mit
sämtlichen Ausformungen von Bussen, Minivans, etc.
auf unserer Reise zurückgelegt haben, lernen wir hier
das Busfahren nochmai ganz neu kennen. Für
Distanzen von zweihundert Kilometern brauchen wir
teilweise elf Stunden und müssen dreimal umsteigen.
Die Distanzen haben wir ganz klar unterschätzt,
jedoch werden wirzum Glück jedesmal aufs Neue mit
wunderschöner Natur belohnt. Hier in Kolumbien
lernen wirdann auch endlich mal, wie eigentlich der
Kaffee jeden Morgen in unser aller Tassen landet. Vom
Pflücken der Kirsche über das Waschen der Bohne, bis
hin zum Rösten und Mahlen, führen wir alle
Arbeitsschritte an der Seite von Fleime, einem
herzlichen einheimischen Kaffeebauern, selbst und
von Fland aus.
Kaffeeplantage und Bananenstauten
Und igendwann ist es dann mal wieder so weit, nach
schönen eineinhalb Monaten verabschieden wir uns
von diesem vielfältigen Land, in dem wir uns so wohi
gefühlt haben, sagen “hasta luego“ und ziehen weiter
Richtung Süden.
In luftiger Höhe, Reise durch die Anden
May 5,2019
Auf dem Weg nach Süden
Wer durch Südamerika reist, trifft fast zwangsläufig
irgendwann auf sie. Die Anden. Eines der größten
Gebirge der Erde, verlaufen sie von Venezuela und
Kolumbien im Norden des Kontinents über tausende
Kilometer bis zur südlichsten Spitze in Feuerland. In
Kolumbien haben wir einen Vorgeschmack
bekommen, jetzt aber in Peru lernen wir die wilde
Seite der Anden kennen. Aber eins nach dem anderen.
Ankunft in Lima
Voller Eindrücke verlassen wir nach sechs
ereignisreichen Wochen Kolumbien und setzen
unseren Weg Richtung Süden fort - immer mit dem
Ziel Brasilien, wo in einigen Wochen das Schiff
ablegen wird, das uns zurück nach Europa bringt.
Unsere Gefühle sind im Moment gemischt. Einerseits
haben wir Kolumbien, seine liebenswürdigen
Menschen und die tolle Natur ins Herz geschlossen.
Andererseits hat sich nach ein paar Wochen noch
etwas anderes eingeschlichen, die Sehnsucht nach
unbeschwerter Freiheit, die Spontaneität, dort hin zu
gehen, wo unser Bauchgefühl uns hinführt und - nicht
zuletzt - unser Hunger nach Abenteuer. Südamerika
ist bisher nicht der Kontinent, auf dem wir das finden.
Zuerst glauben wir, zu vorsichtigzu sein und uns selbst
zu beschränken. Verschiedene Erlebnisse, die wir in
Kolumbien haben zeigen uns aber, dass ein gewisses
Maß an Vorsicht ganz einfach nötig ist und wir uns
manche Dinge nicht nureinbilden. Die ständige
Wachsamkeit gehört für uns hierzum Reisen dazu.
Nach langem Hin und her machen wir uns schließlich
auf den Weg nach Peru. Es ist Abend und die Sonne
geht gerade unter als wir ankommen und zum ersten
Mal schnuppern wir peruanische Luft. Das Klima hier
ist ein ganz besonderes. Es regnet so gut wie nie in
Lima, die Stadt ist nach Kairo in Ägypten die
zweittrockenste Hauptstadt der Welt. Tagsüber ist es
angenehm warm, abends kühlt es ab, kalt wird es aber
nie. Toll! Wir haben Glück und werden die ganze Zeit
über mit strahlend blauem Himmel und Sonnenschein
verwöhnt. Keine Spur vom berüchtigten Nebel Limas,
der die Stadt manchmal tagelang einhüllt. Doch nicht
nur das Klima tut es uns an, Lima gefällt uns auch
durch seine ganz spezielle Lage, direkt am Pazifischen
Ozean. Irgendwann scheint man beschlossen zu
haben, die Stadt bis an den vordersten Zipfel der
Klippen zu bauen, die das Meer überragen. Schon
abenteuerlich, wenn man sieht, wie brüchig besagte
Klippen aussehen.
Auf Klippen erbaut - Lima
Passend zur imposanten Kulisse der Stadt, geht es
auch auf den Straßen ab. Es istSemana Santa, die
Osterwoche, und das ist in ganz Südamerika eine
ernsthafte Angelegenheit. Straßenumzüge, Musik und
ausgelassene Stimmung. Und trotzdem müssen wir
sagen: der Funke will nicht so recht überspringen.
Zwar sehen wir viele Musiker, aber die Peruaner stehen
eher teilnahmslos drum herum. Wo istdas
Latinofeuer?, fragen wir uns. Wie so oft erkunden wir
die Stadt über ihr Essen und so führt unser Gang
natürlich, wie immer, direkt in eines der einfachen
lokale, wo fast ausschließlich nur die Einheimischen
essen. Schnell das „Menu del dia“ geordert und kurz
darauf stellt eine eher launische Bedienung Ceviche,
eines der beliebtesten Gerichte Perus, auf den Tisch.
Roher Fisch mit Zwiebeln, Mais und Süßkartoffeln.
Bildet euch am besten selbst eine Meinung zu dieser
Kombi.. Abends gibt’s dann obendrauf noch einen
Pisco, das Nationalgetränk hier in Peru. Man nehme
Schnaps, presse ein paar Limetten aus und mixe das
Ganze mit geschlagenem Eiweiß. Es sei verraten: Leni
hat schnell ihr neues Lieblingsgetränk gefunden.
Wüste und der Pazifik
Von Lima aus fahren wir einmal die Küste Perus
entlang Richtung Bolivien. Hier ist Peru eine einzige
Wüste. Sanddünen und karge Landschaft so weit das
Auge reicht. Aber spektakulär schön. Auf der einen
Seite immer der Pazifik, geht es fast 1.000km voran.
Alles hier wirkt deutlich rauer, wilder, als in Kolumbien.
In den Bergen schließlich angekommen, bietet sich
wieder ein ganz anderes Bild. Hohe schneebedeckte
Gipfel, und die wilde Landschaft des Altiplano, des
peruanischen Hochlands. Obwohl wirdie Höhe schon
gewohnt sein müssten, merken wir den Unterschied
sofort..ein paar Treppenstufen steigen und dann
erstmal durchatmen.
Wilde Landschaft, Perus Küsten-Highway
Übernachtung auf dem Titicacasee
Seen sind für mich irgendwie..sagen wir mal ich kenne
spektakulärere Landschaften. In meinerVorstellung
war der Titicacasee deshalb kein besonderer Ort.
Einfach nur ein See, nur eben hier besonders hoch
gelegen. Wie ich mich da mal nicht getäuscht habe!
Der Titicacasee ist für uns einer dieser besonderen
Orte auf unserer Reise, die man nur schwer
beschreiben kann. Das Wasser erstreckt sich tiefblau
bis zum Horizont, nur begrenzt von gewaltigen
schneebedeckten Bergketten, die bereits zu Bolivien
gehören. Ich sage zu Leni, dass man förmlich spüren
kann wie hoch der See liegt, nämlich auf fast 4.000
Meter Höhe. Verrückt, oder? Trotz der Höhe leben hier
Menschen, manche teilweise auf Inseln im See, die
lange von der Außenwelt isoliert waren. Mittlerweile
machen die Leute in Tourismus und weite Teile der
Inseln werden jeden Tag von Gruppentouristen
„überschwemmt“. Uns kommt es so vor, als wäre die
ganze Folklore nur für die Besucher aufgesetzt.
Scheint die meisten aber nicht zu stören. Für uns
ergibt sich spontan die Möglichkeit, die Nacht bei
einer einheimischen Familie auf einer Insel mitten im
Titicacasee zu verbringen. Dabei bekommen wir noch
einmal einen ganz neuen Einblick in das zum Teil
immernoch sehr traditionelle Leben auf den Inseln,
dort wo der Tourismus eben noch nicht
Haupteinnahmequelle ist. Ein hartes Leben ist das
hier, das merken wir schnell. Auf der Insel genießen
wir dann eine Ruhe, wie wir sie lange nicht mehr
hatten. Es gibt keinen Autoverkehr, noch nicht einmal
Pferde. Herrliche Stille. Tagsüber erkunden wir kleinen
Pfade und finden alte Inka-Ruinen, genießen den
Panorama-Ausblick von einem der vielen
Aussichtspunkte überden ganzen See und lauschen
der Stille um uns herum.
Höchstgelegener beschiffbarer See der Welt
Traditionelles Outfit rund um den Titicacasee
Harte Natur, widerstandsfähige Menschen
Über Peru haben wirvon vielen Reisenden gesagt
bekommen, das Land sei rau. Die Menschen hart,
verschlossen. Wir dagegen haben ganz andere
Erfahrungen gemacht. Wie überall auf der Welt,
erwidern die Menschen ein Lächeln, wenn man ihnen
denn eines schenkt. Schon nach kurzer Zeit schließen
wirdie Peruaner ins Herz. Es stimmt, die Menschen
hier sind nicht so fröhlich und nicht auf Anhieb so
freundlich wie die Kolumbianer. Aber hinter der etwas
markanten Fassade verstecken sich tolle Menschen,
die liebenswürdig sind und uns sehr nett begegnen.
Manchmal muss man einfach etwas graben, um hinter
dem Rauen und Spröden, die Schönheitzu entdecken.
Das gilt hierin Peru sowohl für die Menschen, als auch
für die Orte die wir besuchen. Die Städte sind nicht
schön. Es ist schmutzig, manchmal stinkt’s und man
sieht auch sehr viel Armut. Das Schöne hier, das sind
die Menschen und ihre Widerstandsfähigkeit. Sie
trotzen jeglichen Klimata und Höhen und finden
immereinen Weg durchzukommen. Diese durch Natur
und Klima bedingte Härte sieht man den Menschen
förmlich an. Wenn wir aber erst einmal mit unseren
paar Brocken Spanisch versuchen ein Gespräch zu
beginnen,freuen sich die Peruanerdoch überein
kleines Schwätzle. Das Peru, das wir so kennenlernen,
gefällt uns überraschend gut und am Ende sind wir
fast ein wenig traurig darüber, dass wir weitermüssen.
Brasil is calling!
Ohne Kontext, ich finde die abgefahrenen
peruanischen Kartoffeln einfach toll.
Beachlife in Brasilien
June 28,2019
Oh brasil que lindo, wunderschönes Brasilien
Nach Wochen kalter Nächte im Hochland von Peru
und Bolivien stehen wir nun an einem brasilianischen
Grenzübergang und es ist heiß. „Endlich!“, möchten
wir rufen. Endlich wiederWärme, statt kaltem
Andenklima, endlich wieder schwitzen, statt mit drei
Decken schlafen zu müssen. Endlich Brasilien. Que
lindo! Seit inzwischen 24 Stunden sind wir unterwegs,
vom Gran Chaco in Bolivien bis ins Pantanal.
Entsprechend geben wirein ziemlich jämmerliches
Erscheinungsbild ab. Als wir die letzten Schritte hin
zum Grenzposten gehen, sind wir aber wie neu
beflügelt. Etwas hier ist anders, die Brasilianer strahlen
eine Lässigkeit und Coolness aus, die direkt an steckt.
Und etwas liegt in der Luft, ein unverkennbarer Duft,
etwas süßlich-blumiges. Wenn es etwas gibt, das ich
mit Brasilien auf Anhieb assoziiere, dann diesen Duft,
der auf dem ganzen Land zu liegen scheint.
Ausblick vom Balkon unserer kleinen Hütte
Es ist einer dieser Grenzübergange, bei dem mehr als
nur die Flagge wechselt. Mit Brasilien geht ein ganzes
Lebensgefühl einher. Wir ahnen schon beim
Grenzübertritt, dass Brasilien uns gut gefallen wird,
aberwirsind auch überwältigt von der schieren Größe
des Landes. Brasilien ist quasi ein Kontinent, die
Distanzen irre groß. Straßenschilder mit Angaben wie
„Rio de Janeiro 2588km“ sind keine Seltenheit. Von
vorneherein wardaher klar, wirsuchen uns ein ruhiges
Plätzchen und dort halten wir es dann aus, bis das
Schiff abfährt. Ein kleines Häuschen, eine nette
Ferienwohnung, sowas in der Art. Zwei Wochen sind
es dann geworden, die wir in unserem kleinen Domizil,
direkt an der brasilianischen Küste, verbracht haben.
Am Strand geht es locker zu, Surfer toben sich auf den
Wellen aus, aus kleinen, zu Bars umgebauten Hütten,
schwappt Reggae zu uns herüber. Keine Hektik, keine
Ablenkungen, nur Sonne, Meer und Caipirinhas satt.
Es ist ein toller Ausklang eines so intensiven und
erlebnisreichen Jahres, auch wenn die Rückreise nach
Europa natürlich noch bevorsteht. Zwei Wochen
vergehen wie im Flug und dann ist es soweit, die
nächste und letzte Etappe unserer Reise steht an.
Wilder Ozean und tolle Strände
Überden Ozean
June 30,2019
Den Atlantik mit dem Schiff überqueren, zehn Tage
auf See. Reisen, wie zu Zeiten, in denen sich die
Menschen noch Zeit genommen haben.
Wir sitzen gemütlich vor unserem kleinen Bungalow,
in dem wir es uns die letzten beiden Wochen in
Brasilien gemütlich gemacht haben. Viel ist uns in
dieser Zeit durch den Kopf gegangen, oft waren wir
hin- und hergerissen zwischen Glücksgefühlen und
Trauer, zwischen Begeisterung über den Teil der Reise,
der noch vor uns liegt und Wehmut bei der Erinnerung
an das, was die letzten 111/2 Monate war. Was noch
vor uns liegt, das war eigentlich und ausnahmsweise
ganz genau geplant. Mit dem Frachtschiff den Atlantik
überqueren. Der Abfahrtstermin seit übereinem
halben Jahrfix. Die Überfahrt bezahlt. Freunde und
Familie informiert, wann und wo wir ankommen
werden. Aber wie so oft auf unserer Reise, kommt
dann doch alles anders. Zuerst ändern sich der
Abfahrtstermin und das Ziel. Rotterdam statt Algeciras,
2.500km trennen die beiden Orte voneinander.
„Bitte beachten Sie bei Ihrer Reiseplanung, dass
kurzfristige Änderungen des Fahrplans möglich
sind.“
Wir nehmen es mit Humor, passt ja auch irgendwie
dann alles wiederzusammen. Zum Schluss dann noch
eine weitere Nachricht vom Hafenagenten, der
Abfahrtstermin hat sich erneut geändert. Wir müssen
los. Jetzt sofort. In drei Stunden am Hafen sein, das
Schiff legt heute ab. Der Hafenagent scheint selbst im
Stress zu sein, denn seine Nachrichten sind abgehakt
wie im Stil alter Telegraphen-Texte verfasst. Nachdem
wir zwei Wochen das entspannte Leben am
brasilianischen Strand genossen haben, wird es jetzt
nochmal hektisch. Rucksäcke in aller Eile packen und
los. Wir rennen zur Bushaltestelle und rasen Richtung
Hafen, wobei rasen hier eine Übertreibung ist-wir
sitzen im Bus und fragen uns, wie viele nicht
ausgewiesene Haltepunkte es auf der vergleichsweise
kurzen Strecke geben kann. Mit reichlich Adrenalin im
Bluterreichen wirschließlich den Hafen, es ist eine
Punktlandung. Am Eingang wartet man schon auf uns,
halb geistesabwesend gehen wir durch die
Zollprüfung, ein letztes Mal werden unsere Rucksäcke
gecheckt, dann folgen wir unserem Agenten. Als wir
um eine Ecke biegen und sich auf einmal das
Frachtschiff vor uns erhebt, können wir es kaum
fassen. Das Schiff ist riesig, Container werden gerade
verladen und wir wissen nicht, wo wir als erstes
hinschauen sollen. Gleichzeitig stellt sich ein
unglaubliches Glücksgefühl ein, das wirspäteran
Bord, nachdem die erste Aufregung abgeklungen ist,
noch viel stärker verspüren. Wir haben es geschafft!
Monatelang war es unser Ziel auf dieses Schiff zu
kommen und jetzt stehen wir hier. Es ist
überwältigend. Da um uns herum alle voll damit
beschäftigt sind, letzte Handgriffe vorder Abfahrt
durchzuführen, merkt es niemand, aber wirsind in
diesem Moment verdammt stolz auf uns!
Ein Jahr später
July 9,2019
Hallo ihr Lieben,
die Überschrift lässt es erahnen, ein Jahr ist vergangen
und wir haben einmal die Weit umrundet! Vor einem
Jahr ging es für uns ios und jetzt ist es tatsächlich so:
Wir sind wieder zu Hause!? Jetzt müssen wir erstmai
ankommen und uns wieder einieben. Wir merken
schon jetzt: das wird sicher noch etwas dauern! Umso
schöner ist es für uns, unsere Familien und Freunde
wiederzusehen und das genießen wir momentan in
vollen Zügen. Wenn wirsoweitsind und wieder so
richtig in unseren eigenen vier Wänden angekommen
sind, soll es für euch auf alle Fälle noch etwas zu lesen
geben, wir möchten unser Reiseprojekt (auch) hier
gerne noch etwas weiter pflegen, wie das genau
aussehen soll wissen wir momentan noch nicht. Aber
jetzt heißt es erstmal ganz viel Zeit mit unseren
Liebsten verbringen, denn alles andere kann warten.
Ein riesengroßes Dankeschön nochmal an alle die
uns während unserer tollen Reise begleitet haben, ihr
seid spitze!
Bis bald,
Leni&Phiiipp
Auf dem Weg nach Hause
Ein neuer Blick auf die Heimat
August 22,2019
Ein Jahr ist vergangen, seitdem wir mit unseren
Rucksäcken losgezogen sind. Jetzt sind wir zurück.
Daheim. Aber was genau heißt
eigentlich„Daheim“?
Ich weiss es noch genau, es war Ende Juni 2018. Wir
räumen gerade die letzten Gläser ab, die
Abschiedsparty ist vorbei und die letzten Gäste sind
auf dem Heimweg. Freunde waren nochmal da, die
Familie. Wir waren lange so aufgeregt und mit allem
möglichen beschäftigt, dass wir uns aufs
Abschiednehmen gar nicht richtig einstellen konnten.
Und jetzt sind alle weg, wir haben sie für mindestens
ein Jahr das letzte Mal gesehen. Ein komisches Gefühl
und innerlich waren wir total aufgewühlt. Es warein
Gefühl, dass uns die ersten Tage und Wochen
unterwegs begleitet hat, bis wir irgendwann dann
richtig angekommen waren im Reisen. Die
Entscheidung zu der Reise haben wir nichtvon heute
auf morgen gefällt. Es war mehr ein Gefühl, ein
Gedanke, der sich immer mehr verselbständigt hat
und irgendwann so groß war, dass der ganze Alltag
davon bestimmt war. Keine einfache Zeit und
konfliktfrei schon gar nicht. Wir wussten also,
irgendwann müssen wir uns entscheiden: Machen
wir’s? Trauen wir uns? Was passiert mit der Arbeit, der
Wohnung? Man macht sich so viele Gedanken,
versuchtalleszu bewerten,zu berücksichtigen. Aber
am Ende ist es ein Impuls, eine Entscheidung aus dem
Bauch heraus. Wir machen es. Was nach der Reise sein
wird spielt in dem Moment keine Rolle und das soll es
auch nicht. Alles wird sich schon irgendwie ergeben.
Wie es aber tatsächlich ist, dann auch wieder
zurückzukommen, konnten wir uns nicht ausmalen.
Wir sind zurück! Und jetzt?
Vorder Reise dachten wir, das Davor sei der harte Teil.
Die Unsicherheit und am Ende dann der Abschied von
den Liebsten. Das stimmt auch. Wir haben aber nicht
damit gerechnet, dass uns die Heimkehr mindestens
genauso schwer fallen würde. Ob man es glaubt oder
nicht, eine Reise verändert. Wir sind nicht als neue
Menschen zurückgekehrt, aber mit neuen Sichtweisen
und anderen Prioritäten. Und neben all den
praktischen Schwierigkeiten der Rückkehr, schleicht
sich ein neues Gefühl ein, ein Gefühl von Vertrautheit.
Heimat, das war für uns früher etwas
Unausgesprochenes. Ist halt da, wo man wohnt. Jetzt
aber merken wir, dass sich etwas getan hat. In den
ersten Tagen ist es ein Mix aus tiefer Trauer, dass das
Jahr vorbei ist und einem Glücksgefühl, dass wir
wieder zu Hause sind. Uns fallen auf einmal Dinge auf,
die uns vorder Reise nie bewusst waren. Die
Schönheit der Landschaft, das nette und lockere
Miteinander im Dorf, das riesige Angebot an Kultur
und die Möglichkeiten sich einzubringen und mit
anzupacken. Familie und Freunde in der Nähe. Und
vom guten Deutschen Essen will ich gar nicht erst
anfangen! Quer überden Globus haben wir nicht nur
andere Länder und Kulturen kennengelernt, wir haben
auch Deutschland und unsere Heimat lieben gelernt.
Details der Fremde haben uns etwas darüber
beigebracht, was es bedeutet, Europäer zu sein, was
für einen kulturellen Schatz wir hier haben, manchmal
versteckt, oft aber selbst im kleinsten Dorfkern zu
finden. Heimat ist für uns nicht mehrnurderOrtaus
dem wir kommen, es ist ein Ort, den wir selbst
mitgestalten möchten. Heimat ist für uns noch viel
mehr als früher auch Geborgenheit und Entdecken.
Und genau das machen wir jetzt, wir entdecken...
Auf dem Weg nach Belgrad
December 13,2019
Am Küchentisch, Ende November 2019...
“Wohin fährst du denn jetzt?”, fragt Leni. “Keine
Ahnung, ich weiss nicht was ich machen soll...
vielleicht nach Belgrad?”. Ich fahr’ dich zum Bahnhof.
Komm’, pack deine Sachen.” Ich schaue auf die Uhr,
08:35 Uhr. “Das wird verdammt knapp, der Bus fährt
um 09:15 Uhr. Reicht das überhaupt noch?”.
Fünf Minuten spätersitzen wir im Auto auf dem Weg
zum Bahnhof. Immer wieder versuche ich unauffällig
die Uhrzeit vom Amaturenbrett abzulesen. Reicht es
noch? Ein Teil in mir hofft zu diesem Zeitpunkt, dass
wirzu spät dran sind, der Bus schon abgefahren ist.
Meine ungeplante und irrationale Entscheidung, mal
eben auf den Balkan zu fahren, folgenlos bleibt. Bleibt
sie aber nicht. Wirsind noch rechtzeitig dran.
Ich schnalle meinen Rucksack auf, der sich sechs
Monate nach dem Ende unserer Reise noch so vertraut
anfühlt wie ein gutes Paar Schuhe, und laufe zur
Haltebucht. Der Busfahrer spricht zwar nur gebrochen
Deutsch, aber mir wird auch so schnell klar, dass eres
eilig hat. Während ich ein Ticket ziehe, realisiere ich
noch nicht, was ich da gerade eigentlich mache. Kaum
habe ich mich gesetzt fahren wir auch schon los.
Nächster Stopp: Zagreb, Kroatien.
Die Schockstarre währt nur kurz. Bald werden
Erinnerungen wach. Die vertrauten Geräusche am
Bahnhof, die Hektik vorder Abfahrt, das Eintauchen in
die Masse fremder Menschen, die zunächst nur durch
ein gemeinsames Reiseziel miteinander verbunden
sind. Ich bekomme Reisefieber und auch wenn es ein
wenig übertrieben klingt: Als der Bus losfährt fühle ich
mich wieder ein kleines bisschen wie ein Abenteurer.
20 Stunden Busfahrt liegen vor mir. 20 Stunden
abwechselnd schnarchende, schmatzende oder
lautstark telefonierende Mitfahrer um mich herum.
Egal, all diese Eindrücke, das manchmal Unbequeme,
das macht eine Reise aus. Unterscheidet sie vom
normalen Urlaubstrip, egal ob es sich dabei um
wenige Tage handelt, so wie jetzt, oder um Wochen
oder gar Monate.
Dobro jutro
Mit steifem Nacken komme ich um 5:25 Uhr in Belgrad
an. An Schlaf war nicht zu denken. Irgendwann, es
muss bei Stunde 8:32 gewesen sein, habe ich es
entnervt aufgegeben, eine auch nur halbwegs
bequeme Schlafposition zu finden. Dass der Busfahrer
ohne erkennbaren Anlass auf serbisch ins Mikrofon
schreit, dass wir jetzt da sind, das gibt mir den Rest.
Also: Ankunft in Belgrad, steifer Nacken,
eingeschlafenes Gesäß, dunkle Ringe unter den
Augen. Kann los gehen. Egal, ich brauche das. Dieses
Gefühl, in der Fremde zu sein. Den Kopf frei zu
bekommen und mich zu erholen. Nicht im Sinne von
guter Schlafqualität oder Ausspannen, sondern durch
neue Eindrücke und Erlebnisse. Diese Erlebnisse sind
es, die mir den Alltagsstress nehmen und mich neu
beleben und genau das brauche ich jetzt.
Aber zurück zu besagtem Morgen in Belgrad. Jetzt nen
Kaffee, denke ich mir. Es stellt sich jedoch schnell
heraus, dass zu so früher Stunde nur eine Handvoll
Etablissements von zweifelhaftem Charakter geöffnet
hat. Es gibt Instant-Cappuccino. Auch das weckt
Erinnerungen an die Weltreise.
Die Stadt schläft noch
Typisch Belgrader Atmosphäre beim Betreten meines
Hostels
Als ich das Bahnhofs-Cafe wenig gestärkt verlassen,
versuche ich mir einen ersten Überblick zu
verschaffen. Die Straßen sind praktisch leer, Belgrad
noch im Schlaf. Es ist eine sonderbare Stimmung. Die
vielen verfallenen Gebäude, die Graffitis überall, das
alles erinnert mich stark an Südamerika. Doch im
Gegensatz zum Kontinent eines Jair Bolsonaro,
Nicolas Maduro oder Ivan Duque fühle ich mich hier
spontan sichervor Überfällen und Raub. Ich kann nich
erklären, woran das liegt. Bauchgefühl. Bei manchen
Gebäuden habe ich ernsthafte Zweifel, ob darin noch
Menschen leben. Doch selbstverständlich sind die
allermeisten nach wie vor bewohnt.
Es dauert auch nicht lange, da verfliegt die Ruhe. Mit
den ersten Sonnenstrahlen strömen die Menschen aus
den vormals noch sinister wirkenden Hauseingängen.
Leute führen ihre Hunde aus, oft in einen der vielen
Parks, die Belgrad zuhauf bietet. Schon nach kurzer
Zeit gleicht die Stadt einem Ameisenhaufen. Dutzende
Bäckereien holen den Rolladen ein und bringen ihre
meist schweren und fettigen Speisen unter die Leute.
Stände werden auf der Straße errichtet, alte Frauen
und Männer bestücken einen Flohmarkt und warten
anschließend stoisch auf einen Abnehmerfür ihren
Plunder. Natürlich nicht ohne das auf dem Balkan
typische Zanken und Fluchen bei jeder sich bietenden
Gelegenheit.
Flohmarkt früh Morgens
Die Kaffees füllen sich mit schwatzenden und
paffenden Menschen. Belgrad und Kaffee, das ist
sowieso eine spezielle Beziehung. Wenn es eine
Leidenschaft neben dem Kette-Rauchen zu geben
scheint, dann der Kaffeekonsum. Kaum eine
Straßenecke ohne das obligatorische “caffe”.
Rauchverbot gibts zwar offiziell, interessiert aber
niemanden. Im Zweifel reicht der Hinweis an der
Eingangstür, schon gilt das Lokal als rauchfrei.
Natürlich sitzen dann trotzdem paffende Serben in
jeder Ecke. Macht nichts, die Kaffeekultur hier gefällt
mir dennoch. Und auch sonst hat die Stadt einen
morbiden Charme, der sich nicht auf den ersten Blick
erschließt. Belgrad ist eine gezeichnete Stadt, in
vielerlei Hinsicht.
Hier hausen nur noch Flüchtlinge, die auf ihrem Weg
gen Westeuropa in Serbien gestrandet sind
Über Jahrhunderte war Belgrad umkämpft, im
Spannungsfeld zwischen Ost und West. Die Osmanen
haben hier mehr ais drei Jahrhunderte geherrscht und
hinteriießen ein reichhaltiges Erbe. Muslimische
Paläste, die Seraiis, hunderte Moscheen und auch
einige dertypisch osmanischen Hamams. Geblieben
ist davon wenig. Eine einzige klägliche Moschee hat
überdauert und die früher zahlreichen türkischen
Wohngebäude sind ebenfalls fast vollständig
verschwunden. Im Zweiten Weltkrieg hat Hitler ein
“Strafgericht” über Belgrad verhängt. Jugoslawien,
wovon Serbein zu dieser Zeit noch ein Teil gewesen
ist, hatte sich der Sowjetunion angenähert hat. In der
Folge wurde die Stadt von der Luftwaffe bombardiert,
mit sichtbaren Zeichen der Verwüstung bis heute.
Zuletzt trug die Stadt im Kosovokrieg Narben davon.
Die Überreste mancher Gebäude die damals zerstört
wurden, stehen zum Teil noch immer- übersäht mit
Einschussiöchern.
Kreative Foto-Kunst rund um den Studentski Park
Was ist Belgrad?, frage ich mich unweigerlich. Was
macht die Stadt und seine Einwohner aus? Viele
wollen weg, auch nach Deutschland. Die
wirtschaftlichen Perspektiven, die Unsicherheit, treibt
viele, vor allem junge Menschen, aus dem Land.
Trotzdem: Die Stadt hat etwas Dauerhaftes an sich,
einen festen Kern. Die Serben waren schon immer
unbeugsam. Neben der Abwanderung gibt es deshalb
auch die andere Seite, die bieibt. Beispielsweise eine
junge und dymanische Künstierszene. Belgrad wird
weiter im Wandel bleiben, vielleicht ist auch genau
das, was die Stadt so interessant macht. So wird es
sicher nicht das letzte Mai gewesen sein, dass ich die
Stadt besucht habe.
Mein Abschied verläuft ähnlich wie die Ankunft: Ich
trinke Kaffee. Es ist 23:15 Uhr. Noch 15 Minuten bis der
Bus abfährt, es wird wieder eine lange Nacht.